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WAS WILL DER VON MIR ??

 von George Riemann

Einmal im Leben in Ruhe pinkeln !
Mal so richtig auspinkeln können. Mein Leben lang träume ich davon…

Doch kaum fließen die ersten Tropfen, werde ich mit einem scharfen Ruck an der Leine aus dem Gleichgewicht gebracht, und von diesem grässlichen Wesen brutalst weitergeschleift.
Dabei stößt er mysteriöse, unverständliche Laute aus, mal befehlend, mal lieblich säuselnd, mal plump anbiedernd. Jedenfalls immer mir-völ-lig-un-ver-ständ-lich.

Der Brutalo ist riesig : ca. fünfmal so hoch wie ich, haarlos bis auf eine lustige kleine Insel hoch oben auf seinem Kopf, total platte Schnauze mit winzigkleinen runden Zähnchen, schwanzlos. Als wäre das nicht schon alles lächerlich genug, laufen alle seiner Art ewig auf den Hinterbeinen herum – genau wie diese dämlichen  Pudel im Zirkus !

Dummerweise hat ausgerechnet solch ein Clown die absolute Macht über mich und meine Umwelt. Licht, Wasser, Wärme – alles kann er jederzeit ein- und ausschalten; für mich unüberwindliche Schranken mit beeindruckender Leichtigkeit öffnen und schließen, Werkzeuge und Geräte bedienen, die die wundersamsten Wirkungen erzeugen und – jetzt kommt’s – er kann Essen herbeizaubern !! Einfach so. Eben ist da noch eine kleine, nichtsriechende Metalldose, schwupps , im nächsten Moment steht da ein fettes Drei-Gänge-Menü : Leber, Lunge Pansen. Und das jeden Tag aufs Neue !

 

So jemanden auf seiner Seite zu haben ist ja an sich gar nicht so schlecht; wäre da nicht diese gnadenlose physische Unterdrückung. Als Hund bin ich ein durch und durch auf Bewegung ausgerichtetes Wesen, brauche Auslauf, die Jagd, enge soziale Kontakte, Weite und -  vor allem - Freiheit !

Und was macht dieser Kasper ?
Steckt mich in seine muffige 1 ½ Zimmerhöhle, in der ich fast den ganzen Tag dahin vegetiere, und wenn ich dann mal kurz ins Freie darf, dann nur in Fesseln ( jawohl, eine solide, nietenbeschlagene Lederleine, eng um meinen Hals geschlungen !). Da harrt man 23 ½ Stunden am Tag in einem halbdunklen Verlies aus, in dem es außer den kläglichen Ausdünstungen des Peinigers nichts, aber auch gar nichts zu riechen gibt ( und das mir, einem Hund !! ), darf weder herumtollen noch jagen, oder sich mit anderen seiner Art mal so richtig ausschnüffeln, kann weder essen noch die Notdurft verrichten, um dann, jedes Mal nach einer gefühlten Ewigkeit, zweimal täglich für 10 bis 15 Minuten an die frische Luft zu kommen.
Natürlich immer an der Leine. Daran wird dann nach Herzenslust herumgeruckelt und
-gezerrt, während er fortwährend im Kommandoton auf mich einbellt.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass er daraus einen Kick zieht…

Für mich ist es die pure Hölle . Tausenderlei lebenswichtige, hochspannende und sinnstiftende Geruchsbotschaften an jeder Ecke, die dringlichst sondiert, erfasst und beantwortet werden müssten – und das Schwein reißt mich erbarmungslos fort. Keine Spur von Hundlichkeit ! Nix als Gehorsam und Kontrolle. Immer will er mich dicht bei sich, um aller Welt klar zu machen, dass ich ihm gehöre …auf ihn höre… ihm hörig bin.

Nur wenn ich dann endlich mal zum Abkoten komme, tut er plötzlich so, als hätte er so rein gar nichts mit mir zu tun. Lässt die Leine locker hängen, wendet den Blick ab, pfeift sich eins.

Manno, der hat echt keinen Clue, wie wichtig so ein Haufen Scheiße ist . Was da alles an hochbrisanten Informationen drin steckt . Wer, was, wann, wo gemacht hat, was er gegessen hat, wie er sich gerade fühlt - und so vieles mehr !
Das ist unser Facebook !!
Und manchmal sind die Dinger auch noch richtig lecker .

 

Habe ich mich dann endlich erleichtert, das Teil noch mal so richtig durchgecheckt und will dann schnell weiter, meine kostbare Zeit sinnvoll nutzen, da fängt dieser Typ plötzlich doch noch an, sich für mein Werk zu interessieren. Sorgfältig nimmt er jeden meiner Haufen mit einer eigens dafür mitgebrachten Plastiktüte in Verwahrung. Wissen die doch mehr über unser „Geschäft“, als sie uns vorgaukeln ?!?

Na jedenfalls hat er es dann plötzlich sehr eilig zurück in seine dumpfe Höhle zu kommen. Dort verbringt er regelmäßig den Rest des Abends vor einer flimmernden Kiste, in der man 22 erwachsenen Männern stundenlang dabei zusehen kann, wie sie mit einem Ball spielen.
Dabei könnten wir doch selbst im Park mit einem Ball spielen – wir Hunde liiieben das !

Früher haben wir das auch hin und wieder mal getan, bis „Herrchen“ zu dick wurde , vom vielen Zuschauen, wie andere mit dem Ball spielen .

Ja, Sie haben richtig gehört : Er selbst nennt sich nicht etwa „Boss“, „Chef“ oder „King“, nein, „Herrchen“. Also „kleines Männchen“.
Ich sag ja, diese Hinterbeinler sind so was von durchgeknallt.


Wenn mir bloß endlich einer verraten könnte, was „Herrchen“ oder „Frauchen“ von uns Hunden eigentlich wollen. Was bringt ein vernunftbegabtes Wesen dazu, ein anderes sein Leben lang in Gefangenschaft halten zu wollen ? Ihm die Würde zu nehmen, den Willen zu brechen, die Instinkte zu rauben, um ihn dann als neurotischen Dauerkläffer auf guter Hund / böser Hund zu reduzieren ? Von Maulkorb und Kastration will ich gar nicht erst anfangen.

 

Geselligkeit, Freundschaft, Tierliebe scheiden offensichtlich als Motiv schon mal aus. Immerhin : Fressen will er mich wohl auch nicht – obwohl ich mich immer öfter frage, ob das nicht letztlich besser für mich wäre…

 

 

 

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- Veröffentlichung dieses Textes, auch in Auszügen, nur nach vorheriger Absprache mit dem Autoren -